Sprache ohne Bedeutung als Soundtrack zum Film im Kopf

MÜLLHEIM. Neue Klangwelten eröffnete Tilo Wachter seinem Publikum bei einem Konzert am Freitag in der Martinskirche. Der Percussion-Musiker versteht es auch auf seiner neuen CD, mit seinen drei Blechtrommeln, sogenannten Hangs, subtile Klänge zu erzeugen, die den Zuhörer fesseln und faszinieren. Die Bühne wird nur von einigen Kerzen erhellt, als Tilo Wachter sich durch den Kirchenraum auf den Weg dorthin macht und dabei mit einer Wellentrommel Meeresrauschen imitiert. Alles, was er braucht, befindet sich auf geschätzten vier Quadratmetern: ein Stuhl, ein paar Mikrofone und seine drei Hangs, konvex geformte, hohle Trommeln aus Blech. Sie geben den Ton an auf seiner neuen CD "Innenwelten", die er erstmals in Müllheim präsentiert hat.
Er beginnt, den Blechtrommeln mit seinen geübten Händen die ersten Töne zu entlocken. Wachter spielt unaufgeregt und konzentriert, streicht mal mit der Hand über die gerundete Fläche, klopft leicht darauf. Fremdartige Melodien, wie aus einer anderen Welt, erklingen. Wer mit dem Instrument nicht vertraut ist, wird überrascht sein, wie erhaben schwingendes Blech doch sein kann.

Dann ertönt Wachters Stimme dazu, erst leise, dann immer lauter und mit ergreifendem Ausdruck.

Was er singt, versteht kein Mensch. Denn es bedeutet nichts. Wachter erklärt den Grund: "Westafrikanische Musik hat mich schon seit meiner Kindheit fasziniert, deshalb habe ich meinen Gesang daran orientiert." Sein Wunsch: Jeder Zuhörer soll seinen eigenen Sinn in die Musik legen, eigene Bilder und Gedanken im Kopf entstehen lassen. "Ich mache dann die Filmmusik dazu."
Tatsächlich geben oft nur die Titel der Stücke und Wachters Erläuterungen Aufschluss über ein bestimmtes Thema und das Publikum hat viele Freiräume bei der Deutung. So auch beim Stück "Pilgrim", das Wachter den Müllheimer Flüchtlingen widmet, von denen auch einige zum Konzert gekommen sind. Manche Menschen, so Wachter, pilgern aus religiösen Gründen, andere sind gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.

Manchmal erzählt Wachter auch, während er spielt, und das dann auf Deutsch. Er lässt das Publikum an seinen Gedanken über die Welt teilhaben und hinterfragt so manches: "Wir stoßen vor in andere Galaxien, doch in uns kehren wir nie ein." Dabei schafft er eine einzigartige Atmosphäre.

Flexibel wechselt er zwischen den drei Hangs hin und her, spielt auch mal auf zweien gleichzeitig, geht fließend vom schnellen ins langsame Spiel über und hat das Publikum mit seinen wunderbaren Trommeln aus dreischichtigem Stahlblech ganz bei sich. Das Hang ist das neueste Instrument der Welt und Wachter gesteht, dass er es früher lächerlich gefunden habe. "Als ich dann aber zum ersten Mal ein Hang in der Hand hielt, war mir klar, dass es das Instrument ist, das ich immer gesucht habe". So exotisch das Instrument auch klingen mag, so überraschend nah ist der Entwicklungsort: Bern. Und weil man dort zur Hand "Hang" sagt, heißt die Trommel, die mit den Händen gespielt wird, auch so, erklärt Wachter. Er habe sich in das Instrument verliebt, auch wenn es jeglicher Linearität entbehre. Durch Schlagen auf die kreisförmig angeordneten Vertiefungen entsteht die Tönevielfalt.

 

Wachters Musik ist nicht planbar und immer im Wandel. Über die Zeit entstehen kleine Teile, die er immer wieder übt, verändert und schließlich zu einem Stück zusammensetzt, erläutert er seine außergewöhnliche Art des Komponierens. Ganz zum Schluss kommt dann manchmal noch der Gesang dazu. Notenblätter sind ihm dabei meist fremd.

 

Das Ergebnis seiner musikalischen Arbeit ist auf seiner neuen CD "Innenwelten" verewigt. Wachter selbst bezeichnet sie als puristisch, auf Chöre und Schlagzeug hat er diesmal komplett verzichtet. Wenn er sagt, seine Musik erfordere ein besonderes Hören, hat er recht. Wer sich aber einlässt auf die subtilen Klänge und sich durch die musikalischen Sphären treiben lässt, hat an einem besonders tiefgehenden musikalischen Ereignis teil.